Königlicher Bläserklang trifft Chorgesang der Meisterklasse
Auch in diesem Jahr wurde dem „Wonnemonat“ Mai die Ehre zuteil, von Musizierenden der Frankfurter Domsingschule sowie der Frankfurter Bläserschule begrüßt und gefeiert zu werden. So eröffnete am Sonntag, dem 25. Mai nach der Begrüßung durch Petra Löbermann in den Mauern von St. Bernhard BLECHroyal unter der Leitung von Simon Schumann mit Henry Purcells festlichen Bläserklängen des „Trumpet Tunes“ das diesjährige gemeinsame Konzert der Sängerinnen und Sänger der Frankfurter Domsingschule (FDS) und ausgewählten Mitgliedern der Frankfurter Bläserschule (FBS).
Beide Ensembles, die regelmäßig gemeinsam musizieren, luden in diesem Jahr die Lioba Voices, dem hauseigenen Chor der St. Lioba Schule aus Bad Nauheim, sowie den ArtChor Langsdorf (beide unter der musikalischen Leitung von Thomas Bailly) ein daran teilzuhaben. Letzterer schöpft seine Mitglieder aus ehemaligen Singbegeisterten der Bad Nauheimer St. Lioba Schule sowie dem Jugendchor der evangelischen Gemeinde Langsdorf.
Als besonderen musikalischen Gast begrüßten die Frankfurter Musizierenden Russ Weaver aus Florida (USA), der hier sein vielfältiges Können auf dem Sopran- sowie Tenorsaxophon unter Beweis stellte und dem Abend damit eine ganz besondere Atmosphäre verlieh. Leider fiel Johannes Wilhelmi als Leiter der FDS-Mächenchöre sowie als Pianist krankheitsbedingt aus. Johannes Weber sprang freundlicherweise kurzfristig für den Klavierpart ein, den er sich mit Thomas Bailly teilte, wohingegen Domkantorin Hermia Schlichtmann die Leitung sämtlicher Chorwerke der FDS übernahm.
Die festliche Eröffnung des Konzerts durch die Bläser wurde von den A und A+ Chören der Frankfurter Domsingschule unter der Leitung von Hermia Schlichtmann aufgegriffen und mit dem Festchor Nr. 9 aus der Kantate BWV 207a „Freut euch alle“ auf angemessene Weise kraftvoll weitergeführt. Die ursprünglich als Duett von Sopran und Alt angelegte Aria „Wir eilen mit schwachen doch emsigen Schritten“ aus der Kantate BWV 78 „Jesu, der du meine Seele“ entfaltete durch die zweistimmige Interpretation der Mädchenchöre einen ganz eigenen Charme.
Mit frischer Jugendlichkeit und dem Ruf „Grüß Gott, du schöner Maien“ von Heinrich Spitta unter der Beteiligung der Sängerinnen und Sänger der B Chöre ging es weiter. Hatte sich das zahlreich erschienene Publikum bereits am warmen, doch strahlenden und intonatorisch sicheren Gesang der jugendlichen bzw. jungen erwachsenen Sängerinnen und Sänger erfreuen können, so tat die Ergänzung durch die Kinder der B Chöre der hohen musikalischen Qualität keinerlei Abbruch.
Mit der gleichen Sicherheit und Präzision gelang es Hermia Schlichtmann auch hier ihre Sängerinnen und Sänger zu führen und ihnen bei den Segensworten „The Lord bless you and keep you“ von John Rutter musikalische Hochgenüsse zu entlocken.
Ob im Zusammenspiel mit dem B Chor allein oder in Verbindung mit dem großen Chor fügte Russ Weaver sich mit seinem Sopransaxophon jeweils sich mit höchster Sensibilität ein, dass die Zuhörerschaft Zeuge eines höchst beglückenden synergetischen Wechselspiels zwischen den jungen Stimmen und dem Instrument wurde. Nach „Heißa, wir dürfen leben“ von Siegfried Fietz und Daniel Stegers dreistimmigem Kanon „Er ist wie ein Baum“ erfolgte mit „Heleluyan“ der Sprung in die „neue Welt“.
Unter der Leitung von Thomas Bailly interpretierten die Lioba Voices diesen ursprünglich einstimmigen Gesang der Muscogee, eines Volks der amerikanischen Ureinwohner, in einem von Jerry Ulrich arrangierten vierstimmigen Satz.
Nach zwei weiteren zeitgenössischen Stücken schloss sich der ArtChor Langsdorf zu „Al Shlosha“ von Allan E. Naplan den Lioba Voices an. Der Inhalt dieses Chorstücks basiert auf einem jüdischen Sprichwort und will uns vermitteln, auf welchen drei Säulen das Miteinander in der Welt basiert, nämlich auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden. Von dieser allumfassenden und richtungweisenden Nachricht inspiriert steuerte das Konzert auf seinen ersten Höhepunkt zu, der im gemeinsamen Musizieren aller, d. h. der Chöre, der Instrumentalisten sowie der Publikumsgemeinde im Lied „Großer Gott, wir loben dich“ gipfelte.
Im Folgenden gehörte die Bühne zunächst dem ArtChor Langsdorf allein mit „Ich freue mich dem Herrn (G. A. Homilius) und „Lobe den Herrn“ (Hugo Distler). Das daran anschließende Spiritual „Deep River“ (Arr.: Anders Paulsson) ergänzte Russ Weaver mit seinem Saxophon. Er unterlegte, umschmeichelte und verstärkte die Chorpassagen mit improvisatorischen Partien feinster musikalischer Raffinesse und Präzision. Ein ganz besonderes Augenmerk galt dem neu gegründeten Zweig des A+ Chors und - bis jetzt noch namenlosen Ensemble - der Frankfurter Domsingschule. Nach nur wenigen Wochen Probe brachten fünf Sängerinnen und acht Sänger „Create in me a clean Heart“ als a Capella-Stück unter der Leitung von Hermia Schlichtmann zu Gehör. Auch hier stimmte alles von der präzisen Ausgestaltung, über den vollen aber trotz allem leichten und ausgewogenen Klang bis hin zur absoluten intonatorischen Genauigkeit. Man kann gespannt sein, wie sich diese kleine aber feine Gesangsgruppe weiterentwickeln wird.
Zu „The Rose“ (Ola Gjeilo) gesellten sich auch alle anderen A und A+ Sängerinnen und Sänger hinzu und erfüllten mit diesem intim dargebrachten Werk abermals den Kirchraum mit Chorgesang der Meisterklasse. Letzteres vermittelte sich ebenso im anschließenden „Jauchzet dem Herrn“ von Adam Hiller und verfing gleichsam meisterhaft im Fugato des Vivace-Teils.
Nach solch choristischer Fulminanz zogen die folgenden Stücke für Saxophon und Klavier das Publikum durch ihre Tiefe und Innigkeit in ihren Bann. Die fast sphärisch anmutende „Reflection“ von Adrienne Albert trug den Lauschenden in nahezu überirdische Klangwelten, in denen man auch noch zu Mack Wilbergs „Peace like a River“ verharren durfte. Zu Wilbergs „I believe in Christ“ gesellten sich dem Saxophon sowohl die Domsingschule als auch die Musiker und Musikerinnen von BLECHroyal hinzu, was in einem festlich voluminösen Gesamtklang unter Baillys Leitung seinen vorläufigen Höhepunkt fand. Die Chorgruppe wurde im darauffolgenden Spiritual „I can tell the World“ (arr.: Moses Hogan) von dem darin wohl besonders geschulten ArtChor Langsdorf verstärkt.
Vollends verdichtete sich der Klang zu „He never failed me yet“ (Arr.: Robert Ray). Sämtliche Musikerinnen und Musiker fanden sich zu einem großen Ganzen zusammen und brachten den Kirchensaal förmlich zum Kochen. Nach musikalischem Muster des „Call and Response“ wurde hier dem traditionellen Spiritual Rechnung getragen. Kurze Solo-Passagen und -Rufe zu Ehren Gottes, dargebracht vom kleinsten (B Chor) bis zum größten Mitglied (Frau Schlichtmann als Pianistin) der Musikergemeinde, flogen wie Funken durch den Raum und sorgten für überbordende Stimmung, die sich im begeisterten Applaus und Standing Ovations am Ende des Stücks Bahn brach. Besinnlichkeit und Ruhe kehrten ein, als die Chöre im Anschl
uss daran unter Hermia Schlichtmanns Dirigat „I am his Child“ von Moses Hogan intonierten.
Ein kaum enden wollender
Applaus wurde mit der Zugabe „Bleib bei uns“ (Thomas Gabriel) aller Chöre unter der Leitung Schlichtmanns belohnt. Dazu formierten sich einige Chormitglieder zu einem die Publikumsgemeinde umschließenden Kreis, was die Zuhörerschaft in ein wahres Wohlklang-Bad tauchen ließ.
Wahrhaft berührt von diesem phantastischen Konzert auf höchstem musikalischem Niveau, gestaltet von größtenteils jungen bis sehr jungen Menschen, und getragen von dessen Nachklang strömte nach dem „Shalom“, interpretiert vom Frankfurter Bläserschul-Ensembles BLECHroyal, ein zutiefst ergriffenes Publikum in den noch angenehmen temperierten Maiabend hinein.
Jutta Schneider